Be-greifen kommt bekanntlich von greifen. Alles Lernen beginnt mit unseren Händen. Kaum auf der Welt, er-greift sich der Säugling in seinem ersten Lebensjahr den unmittelbaren Mikrokosmos und entdeckt seine Sinne. Einhergehend mit Greif-Reflexen schult das taktile Erforschen die Fingerfertigkeiten und bildet die Grundlage für motorische Fertigkeiten. Später z. B. beim Malen oder Schreiben benötigt das Kind genau diese Fertigkeiten.
Rein mechanisch gesehen ist Schreiben mit Stift und Papier ein komplexes und koordinatives Muskeltraining durch das Zusammenspiel verschiedener Körperteile. Gleichzeitig trainierst du das Wechselspiel von rechter und linker Hemisphäre sowie deine Feinmotorik. Doch die Wissenschaft hat noch mehr Vorzüge entdeckt, die auf deinen Körper wirken, wenn du regelmäßig deine Gedanken mit der Hand notierst.
Handschreiben trainiert unser Gehirn wie einen Muskel
Schauten wir beim handschriftlichen Schreiben ins Gehirn, so würden wir verschiedene Spuren erkennen: Die visuelle Gedächtnisspur wird von einer motorischen Spur unterstützt. Es gibt also eine enge Verbindung zwischen der Buchstabenform und der ausgeführten Bewegung.
Was das bedeutet, wurde in der Studie „The pen is mightier than the keyboard“ erforscht. Eines ihrer Ergebnisse ist: Handschriftliches Notieren erfolgt langsamer als Tippen. Das niedrigere Schreibtempo zwingt uns dazu, beim Mitschreiben schon darüber nachzudenken, mit eigenen Wörtern den Vorlesungsstoff zu formulieren. Beim schnelleren Tippen wird das Gehörte eins zu eins niedergeschrieben.
Bemerkenswert: Obwohl die Studierenden quantitativ mehr Notizen erfasst hatten, schnitten sie bei den Inhaltsfragen wesentlich schlechter ab. Dass unser Gehirn beim handschriftlichen Notieren stärker gefordert ist, führt offensichtlich zu einer besseren und intensiveren Verarbeitung und Bereitstellung von Wissen. Es wird beim klassischen Schreiben zwangsläufig trainiert.
Schreiben reduziert Stress
Schreiben wirkt sich auch positiv auf unseren Stresslevel aus, der wiederum unser körperliches Empfinden beeinflusst. Mit ihrer Studie „The grateful brain“ schufen Emmons/McCullough (2003) Grundlagenarbeit für genau diesen Zusammenhang. Demnach zeigten junge Erwachsene mehr Entscheidungsfreude, Aufmerksamkeit, Begeisterung und Energie, wenn sie täglich die Dinge notierten, für die sie dankbar waren. Sie klagten seltener über körperliche Wehwehchen und spürten gleichzeitig einen höheren Energielevel als die Teilnehmenden in der Vergleichsgruppe, die ausschließlich über ihre täglichen Ärgernisse und negativen Dinge schrieben. Diese lagen in allen vier Merkmalen deutlich zurück.
Tamara J. K. Wilder et. al (2011) konnte konkrete positive Effekte für den menschlichen Körper zeigen: Sie fand heraus, dass die kognitive Belastung durch analoges Schreiben sinkt und dies zu einer besseren Schlafqualität führt.
Schreiben reduziert Schmerzen
In seinen Studien konnte James Pennebaker (1980/2011), der „Erfinder der Schreibtherapie“, zeigen, dass infolge des regelmäßigen Notierens eines Traumas oder persönlichen Problems die Teilnehmenden eine reduzierte physiologische Reaktivität hatten – sprich, sie hatten nicht nur weniger Schmerzen, ihr körperliches Wohlbefinden war durch das Schreiben sogar deutlich gestiegen.
Handschreiben wirkt therapeutisch und heilend
J. Smith, A. Stone et. al bestätigten Pennebakers Ergebnisse und gingen noch einen konkreten Schritt weiter. Demnach empfanden die Probanden eine Linderung ihrer Erkrankungen (Asthma und rheumatoider Arthritis), nachdem sie Journaling oder abendliches Schreiben praktizierten. Sie erklärten die therapeutische Wirkungmit „it helps you get past anxious feelings“ – übersetzt, Schreiben hilft, Gefühle von Angst hinter sich zu lassen.
Handschrift als Frühwarnsystem für Krankheiten
Bei bestimmten Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer oder Multiple Sklerose verändert sich die Handschrift bevor die Symptome beim Patienten auftreten. Den Grund lieferte Michel Rijntjes (2002). Er konnte beweisen, dass die Eigenschaften unserer individuellen Handschrift genau dort verankert sind, wo auch unsere Motorik im Gehirn gesteuert wird. Zum einen bestätigen seine Ergebnisse die enge Verbindung zwischen dem verantwortlichen Gehirnbereich und dem Schreibprozess; zum anderen wird klar, dass weniger die Persönlichkeit über die individuelle Handschrift entscheidet, als vielmehr das motorisch gebildete Potenzial.
Diese Ergebnisse bestätigt ebenfalls eine Studie aus China von Ng et. al (2012). Hier lag der Schwerpunkt auf Schreiben über Dankbarkeit im Alltag. Die Probanden zeigten deutlich weniger körperliche und krankheitsbedingte Symptome, wenn sie regelmäßig über das schrieben, wofür sie dankbar waren. Wichtig hierbei: Es ist die bewusst wahrgenommene Dankbarkeit, die die Depressionen reduziert, und nicht der verbesserte Schlaf.
Fazit
Adé zu Fitnessstudio, Gewichten oder langwierigen Cardio-Sessions! Alles was du brauchst, ist neben deinem Lieblingsstift ein schönes Heft oder Journal und los geht’s mit deinem kostenlosen Krafttraining! Jeden Tag reichen schon ein paar Minütchen, die du in deinen gesunden Körper, erholsamen Schlaf, weniger Gedankenkarussell und mehr Entspanntheit investierst. Probier’s aus und lass uns wissen, was dein Körper dazu sagt! Wir sind ganz Ohr!
Hier gehts wieder zum Hauptartikel.
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