Wie würde eine Welt aussehen, in der alle schreiben?


January 14, 2022
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January 14, 2022
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Frieden

„Frieden“, denk ich

und schaue auf mich,

setze den Stift auf

und schreibe fürs Licht.

Den wertenden Finger gegen andere erheben,

das möchte ich so nicht mehr erleben,

denn löst es unsere Konflikte nur schwer.

In mir, da beginnt er, der Frieden,

auch wenn wir Beide sind so verschieden.

Schreiben dürfen wir, um zu erkennen,

dass unterschiedliche Meinungen uns zwar trennen,

doch unsere Gefühle die gleichen sind.

Schreiben dürfen wir mit neugieriger Haltung wie ein Kind

und so erstmal uns selbst erkennen,

anstatt gleich den anderen als Schuldigen zu benennen.

Schreibend sinken wir tiefer und tiefer in uns hinein

und sorgen so für Frieden im Klein’n.

Von dort breitet er automatisch seine Flügel aus,

schwebt durch Gespräche von Haus zu Haus.

Ich erkenne mich in dir

und auch du kannst plötzlich fühlen mit mir.

Schreibend lichtet sich die Dunkelheit

und Frieden macht sich in und um uns breit.

Denn durchs Schreiben sind wir

befreit.

Eine Szene aus dem Leben…

Völlig erschöpft kommt sie nach Hause nach einem langen Tag bei der Arbeit und beladen mit den Einkäufen für sie beide. Das erste, was sie sieht, ist ihn, wie er lang auf dem Sofa liegt und an seinem Handy herumtippt. Bei diesem Anblick spürt sie sofort ihren Puls schneller schlagen. Unaufhaltsam kocht es in ihr hoch und sofort schlägt sie die Tür hinter sich heftig ins Schloss. Er zuckt zusammen und sieht sie an der Haustür stehen.

„Ohoh“, denkt er, „da war doch noch Hausarbeit, die ich erledigen sollte, ehe sie nach Hause kommt… jetzt geht das Zicken gleich wieder los.“ Er macht sich schon bereit, ihre Vorwürfe abzuschmettern, und spürt, wie innerlich seine Schutzmauern zur Verteidigung hochfahren.

Doch nichts geschieht. Sie steht einfach nur da und sieht ihn an mit zornigem Gesicht. In der Stille wird es ihm nun doch unangenehm und er ergreift das Wort: „Hey, schön, dass du da bist. Erst jetzt fällt mir ein, dass ich eigentlich noch Hausarbeit erledigen sollte…“ Sie spürt, wie seine Worte sie nur noch wütender machen. „Sollte? Wir wohnen doch beide hier!“, denkt sie, aber atmet ein paar Mal tief durch und sagt nur: „Lass uns da gleich drüber sprechen. Ich möchte mich mal kurz sammeln, denn ich fühle mich gerade derart wütend, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann.“

Mit diesen Worten geht sie hinüber ins Schlafzimmer und schließt die Tür hinter sich. Er weiß, dass sie mit „sammeln“ meint, dass sie erstmal für sich darüber schreiben muss. Seit einiger Zeit hat sie sich das schon angewöhnt und so packt ihn die Neugier, dies ebenfalls zu versuchen. Er greift zum nächsten Notizbuch und Stift und fängt an zu schreiben.

Er:

Wow, was ist da gerade passiert? Ich habe schon fest damit gerechnet, dass sie mich wie immer direkt verbal angreift, mir alle möglichen Dinge an den Kopf wirft. Dass ich ja nie helfe, dass ich immer alles vergesse, dass auf mich kein Verlass ist. Doch nichts davon… es tut mir schon leid, dass ich es vergessen habe mit der Hausarbeit. Ich war einfach so froh, heute schon früher von der Arbeit kommen zu können, da wollte ich erstmal entspannen und nicht gleich zur nächsten Aufgabe rennen. Aber ein schlechtes Gewissen habe ich jetzt schon, denn sie hat heute sicher auch einen sehr stressigen Tag gehabt. Dann nach Hause zu kommen und als erstes zu hören, dass ich meine Aufgabe vergessen habe, während sie schon für uns einkaufen war, ist sicher nicht schön. Ich möchte mich dafür auf jeden Fall entschuldigen und einen Weg finden, dass es das nächste Mal besser klappt. Ich bin aber auch froh, dass sie ihre verallgemeinernden Vorwürfe dieses Mal nicht gebracht hat. Das finde ich so unfair, mich dann im Ganzen als schlecht und unzuverlässig darzustellen, sodass ich eigentlich gar nicht mehr die Möglichkeit habe, mich irgendwie zu erklären oder das Gegenteil zu zeigen. Ehrlich gesagt, habe ich dann schon gar keine Lust mehr, dass Gegenteil zu zeigen, wenn sie so anfängt…

Sie:

Ich bin sooo wütend! Und kaputt. Es macht mich einfach wütend, dass ich ihn extra darum bitte und sage, was in der Wohnung zu tun ist, weil er es nicht sieht, und trotzdem bekommt er es nicht hin. Das macht mich echt rasend, weil es auch nicht das erste Mal ist. Ich fühle mich nicht gehört, nicht ernstgenommen, wenn er das so macht. Warum muss ich immer alles im Griff haben und er lässt sich ab und zu mal herab und trägt auch etwas bei? Immerhin wohnen wir doch beide hier und ich bin die Einzige, die immer alles macht. Okay, das ist vielleicht jetzt etwas verallgemeinert. Er tut auch viel für mich, es fällt mir nur schwer, das jetzt gerade zu sehen, weil ich so böse bin. Aber ich habe ja schon bemerkt, dass diese Verallgemeinerungen zu nichts führen – ehrlich gesagt, sind sie einfach nur gemein. Denn wie soll er denn jemals das Gegenteil zeigen können, wenn ich ihn schon sofort 100% in einer Ecke einordne? Das führt zu nichts und ist unfair. Trotzdem merke ich, wie sehr mich sein Verhalten gerade wütend macht und, wenn ich ehrlich bin, auch traurig. Ich fühle mich in diesem Moment nicht gesehen, nicht unterstützt und auch ein Stück weit nicht wertgeschätzt, weil er meine Bitte einfach vergessen hat. Das möchte ich ihm auf jeden Fall sagen, aber aufpassen, dass ich wirklich nur bei dieser Situation gerade bleibe. Ich wünsche mir doch nur, dass er auch aktiv hilft, dass er mir zuhört und sich im Haushalt einbringt… Jetzt spüre ich gerade, wie meine Wut auf ihn abnimmt. Ich weiß jetzt, was mich genau stört, was ich mir wünsche und was meine Bedürfnisse sind. Das möchte ich jetzt mit ihm besprechen.

Das Gespräch:

Als sie zurück ins Wohnzimmer kommt, spüren beide, dass die Luft sich verändert hat. Zwar ist es immer noch angespannt, aber auf beiden Seiten hat sich die Dringlichkeit verändert. Eine unbekannte Ruhe hat sich breit gemacht. So setzen sich beide zusammen aufs Sofa und schauen sich an.

Sie: „Ich bin wirklich sehr wütend. Wenn ich nach meinem langen Tag nach Hause komme und sehe, dass du meiner Bitte nicht nachgekommen bist, fühle ich mich nicht gehört und wenig wertgeschätzt. Es macht mich auch traurig, denn wir wohnen beide hier und ich wünsche mir deshalb, dass wir beide auch etwas zur Hausarbeit beitragen.“

Er nimmt sie in den Arm, ehe er antwortet: „Es tut mir leid, dass du dich nicht gehört gefühlt hast. Das war nicht meine Absicht. Ich war müde, als ich von der Arbeit kam, und wollte nur kurz entspannen. Dabei habe ich allerdings die Zeit vergessen und das tut mir ehrlich leid. Das nächste Mal mache ich mir eine Erinnerung ins Handy. Für dieses Mal kann ich mich nur entschuldigen. Ich möchte aber auch danke sagen, dass du trotz deiner Wut nicht zu verallgemeinernden Vorwürfen gegriffen hast. Ich habe auch ein wenig geschrieben, als du im Schlafzimmer warst, und gemerkt, dass mich diese in der Vergangenheit sehr defensiv gemacht haben. Denn sie haben mir die Möglichkeit abgesprochen, überhaupt das Gegenteil zu zeigen und ich habe mich sehr unfair verurteilt gefühlt. Danke, dass du sie dieses Mal nicht gebracht hast. Und das nächste Mal mache ich mir für Hausarbeiten eine Erinnerung ins Handy, um sie nicht zu vergessen.“

Schreiben für eine neue Welt

Da ist sie, die Angst,

sie macht mich ganz klein,

spricht mir Kraft und innere Stärke ab,

setzt den Mut in mir herab.

Verletzlich macht sie mich, die Angst,

und ich fühle mich ganz schlapp.

Doch anstatt davonzulaufen,

schreibe ich mich hinein.

So stelle ich fest: In mir darf alles sein.

Gut tut es mir, das zu erkennen,

anstatt weiterhin vor Gefühlen davonzurennen.

Manchmal wird mein Papier schwer

von Ängsten, Sorgen und der Zeit.

Doch weiß ich: Je länger ich schreibe,

desto mehr bin ich befreit.

So gäb’s in einer Welt,

in der alle schreiben würden,

viel mehr Miteinander –

und weniger Hürden.

Wir könnten Unterschiedlichkeiten akzeptieren,

anstatt uns gleich in Wertungen zu verlieren.

Also los, lasst uns das Schreiben zelebrieren!

Gemeinsam auf dem Weg

in eine neue Welt,

in der tiefes Mitgefühl

uns alle zusammenhält.

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