Wer hat den Füller erfunden? Eine Geschichte


May 04, 2021
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May 04, 2021
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Lewis Edson Waterman – Der Erfinder des “modernen” Füllers

Wer den ersten Füller erfunden hat, kann man nicht ganz eindeutig beantworten, denn der Füller, wie wir ihn heute kennen, hatte verschiedene Vorläufer und eine schwierig zu verfolgende Geschichte. Die ersten Schreibgeräte, die an unseren heutigen Füller erinnern, waren tatsächlich Federn mit mehreren zusammengesteckten Federkielen. Seit dem 17. Jahrhundert wurde bereits mit diesen Füllfedern geschrieben. Kalligraphen benutzen sie für traditionelle Schriftarten, teilweise sogar bis heute. 1768, etwa 150 Jahre nach der ersten dokumentierten Nutzung von Federkielen, entwickelte ein Mechanikus aus Leipzig namens Scheller eine mechanische Reiseschreibfeder. Sie bestand aus Bronze, Horn und einer Kielfeder. Die erste Schreibfeder, die aus gewalztem Metall gefertigt war, erfand der rumänische Gelehrte Petrache Poenaru 1827.

Der erste moderne Füller aber, wurde wohl in Amerika durch einen Unfall geboren…

Obwohl damals in öffentlichen Verwaltungen und privaten Handelskontoren Schreiben die Haupttätigkeit war, setzte sich der Füller kaum durch. Er war zwar optimal für die wichtige Schönschrift, aber der Tintenfluss ließ sich nicht kontrollieren und die Tinte floss ungleichmäßig aus der Füllfeder. Manchmal ergoss sie sich in einem einzigen Schwall auf das Papier oder der Füller verstopfte und war zum Schreiben nicht mehr brauchbar.

Diese technischen Probleme des frühen Füllfederhalters, so eine Anekdote, erlebte der amerikanische Versicherungsvertreter Lewis Edson Waterman 1884: Als ein Kunde seine Unterschrift unter eine Versicherungspolice setzen wollte, entleerte sich das komplette Tintenreservoir über das Dokument. Da eine neue Abschrift der Police zu lange dauerte, unterschrieb der Mann bei einem anderen Versicherungsmakler. Am selben Tag noch, soll sich Waterman an die Entwicklung eines Füllhalters mit kontinuierlichem Tintenfluss gesetzt haben. 

Tüftelei, Physik und Tinte

Dazu machte Waterman sich das Phänomen der Kapillarität zu Nutze. Er formte dünne Kanäle in das Verbindungsstück zwischen Feder und Tintenreservoir durch welche nur so viel Tinte zur Federspitze floss, wie zum Schreiben nötig war. Gleichzeitig wurde ein Austausch von Luft möglich, wodurch ein Vakuum innerhalb des Tintenreservoirs und damit größeres Klecksen verhindert wurde. Zudem sollte ein Loch in der Feder dafür sorgen, dass die Tinte gleichmäßig nachfloss. 

Der Füller war erfunden. 

Im Februar 1884 meldete Waterman seine Erfindung zum Patent an und gründete kurze Zeit später die Waterman Pen Company. Im ersten Jahr hatte Watermann bereits 5000 seiner patentierten Füllfederhalter verkauft. Ihm sollten viele folgen, allen voran George Parker. In Deutschland war es Friedrich Soennecken, der die ersten Füller nach dem neuen Prinzip herstellte. 

Der Füller: Eine Idee zieht um die Welt

So verbreitete sich der Füller aus Amerika über die ganze Welt und blieb für viele Jahrzehnte das Schreibgerät Nummer Eins. In der Schule und den Universitäten, in der Firma und auch im privaten Bereich, für geschäftliche Korrespondenzen oder private Briefe wurde der Füller gern verwendet – und das längst nicht nur als einfaches Alltagsprodukt. Das Schreiben mit dem Füllfederhalter ist etwas Besonderes – das wusste man schon zu seinen Anfängen. 

So wurde der Füllhalter zur echten Erfolgsgeschichte und galt als das zuverlässigste Schreibgerät schlechthin. 

Der Übergang von Gold zu Stahl

Gold war besonders zu Beginn der Geschichte des Füllers im 19. Jahrhundert das Metall der Wahl in der Federproduktion, da keine anderen korrosionsbeständigen Edelstahle zur Verfügung standen, die den damals sauren Schreibtinten auf Dauer resistent waren. Gold konnte zudem einfacher verarbeitet werden als die naturharten Edelstahle.

Nach Ende des zweiten Weltkrieges kam es zur Entwicklung neuer Tinten mit geringerem Säuregehalt. Dies erlaubte, neben der erstmaligen Verwendung von Hartgummi für die Herstellung von Tintenleiter, Tintentank und Korpus, die industrielle Massenproduktion von Edelstahlfedern. Die Verarbeitung von Edelstahl zeigte sich nun deutlich verbessert: Der neue Federstahl war viel flexibler und konnte ungemein präzise verarbeitet werden. Dies bedeutete hochwertige Edelstahlfedern, die günstig und ohne Serienschwankungen produziert werden konnten.

Mittlerweile werden Edelstahlfedern in nahezu allen Preisklassen verbaut. So findet man auch sehr hochwertige Edelstahlfedern, die ein exzellentes Schreiberlebnis ermöglichen. Obgleich sie in ihrer Weichheit nicht an Goldfedern herankommen, sind sie die robuste Federvariante und eignen sich besonders für den täglichen Gebrauch, auch unterwegs.

Konkurrenz: Kugelschreiber

Doch der Siegeszug des Füllers sollte bald durch eine neue Erfindung in Gefahr geraten. Der Kugelschreiber, dessen Konstruktionsprinzip in den 1940er-Jahren entscheidend verbessert wurde ersetzte langsam, aber sicher den Füller als Alltagsschreibgerät. Trotz anfänglicher Probleme der Zuverlässigkeit, wurde der Kugelschreiber nach seiner Perfektionierung zu einem starken, praktischen Konkurrenten des Füllhalters. Verstärkt wurde der Erfolg des Kugelschreibers als er in den 1950er-Jahren durch Massenfertigung zum günstigen Massenprodukt wurde und den Füller weitestgehend in seiner Rolle als Schreibgerät für den Alltag ablöste.

Vollständig gelang es dem Kugelschreiber jedoch nicht, den Füller zu verdrängen. Stattdessen verlieh er diesem eine exklusive, ganz besondere Bedeutung, die der Füllfederhalter auch zu seiner Blütezeit hatte. Kenner und Liebhaber, passionierte Schreiber, Freunde der edlen Schreibkultur und stilbewusste Menschen schwören heute nach wie vor auf den Füller. Vor allem bei besonderen Gelegenheiten wird er heute hervorgeholt und glänzt dann in einem besonderen Licht. Wichtige Verträge, persönliche Briefe sowie die innersten Gedanken werden häufig mittels Füller zu Papier gebracht. Legendär sind zudem die Füller vieler Prominenten und Präsidenten. Viele von ihnen unterschrieben Dokumente und Verträge mit einem Füllfederhalter – manchmal sogar jeden Buchstaben einer Unterschrift mit einem anderen. Der Civil Rights Act im Jahr 1964 wurde mit sage und schreibe 75 Füllern unterschrieben. Barack Obama unterzeichnete seine ObamaCare Gesundheitsreform mit 22 Füllfederhaltern. Zahlreiche der Präsidentenfüller befinden sich heute im Museum, sofern sie nicht als Andenken an die Beteiligten überreicht wurden.

Der Füller Heute

Heute ist der Füller in vielen Teilen der Welt eine Rarität geworden. Ein Relikt der Vergangenheit. Allerdings erfährt das Schreiben mit Füller langsam aber stetig wieder einen Aufschwung. Im Zuge der Entschleunigung und des neuen Wertschätzens von Analogem spielt der Füllhalter und seine reichhaltige Geschichte eine ganz besondere Rolle, denn er kann wie kaum ein anderer Gegenstand Menschen sowohl mit ihrem Inneren als auch mit anderen Menschen verbinden.

Der Füller ist nun nicht mehr nur für Kenner, Sammler und Experten sondern findet seinen Weg immer öfter in die Hände von alltäglichen Schreibern, die neben dem praktischen Nutzen des Schreibgeräts auch seine transformative, meditative Funktion erkennen und das magische Schreiberlebnis zu schätzen wissen.

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